Fußwege sind in Halle und anderen Städten schon lange nicht mehr für FußgängerInnen da. Ein Erlebnis mit meinem Nachbarn beweist es. Und das hat etwas mit dem „Parking Day“ zu tun. Aber der Reihe nach.
Wer am 19. September in Halle unterwegs war, der hat sicher die ein oder andere ungewöhnliche Parklücke gesehen. Hier ruhten an dem Tag für ein paar Stunden, keine Autos, sondern es tummelten sich dort Menschen. Einige hatten Teppiche ausgerollt und die Parklücke richtig „möbliert“. Andere hatten ein Tischfußball aufgebaut, es wurde gegessen, musiziert und gemalt – kurzum: Es wurde dort gelebt, wo sonst Autos stehen. Die Aktion fand im Rahmen des „Parking Day“ (ins Leben gerufen 2005) statt. Damit soll auf die massive Platzverschwendung durch Parkfläche für Autos in unseren Städten aufmerksam gemacht werden. Oder anders ausgedrückt: Schaut mal, was man alles in einer Straße machen kann, wenn nicht überall Autos stehen.
Freiheit = Individualverkehr via Auto?
Nun ist der Individualverkehr via Auto eine tolle Sache. Er bedeutet:
Ich habe die Freiheit, dorthin zu fahren, wohin ich will! Jeden Tag! Jeder Zeit!
Außer natürlich am Samstagvormittag ins Zentrum, denn da gibt’s keine Parkplätze. Oder am Abend ins Paulusviertel, denn da gibt’s keine Parkplätze. Oder am Mittwochnachmittag zum …
Ja, so richtig frei ist man dann doch nicht. Denn wenn man sich durch den städtischen Verkehr gequält hat und für eine Strecke, die mit dem Fahrrad in 10 Minuten zu bewältigen ist, 25 Minuten gebraucht hat, dann heißt es einen Parkplatz finden. Wofür gern nochmal die Fahrtzeit draufgeht. Und dann findet man eh nur einen von diesen „nicht ganz offiziellen“ Parkplätzen und hat am nächsten Tag die Quittung von der Stadt dafür hinter dem Scheibenwischen klemmen. Das nenn ich wahre Freiheit! Doch zurück zum Parken in der Stadt.
Stoßstange an Stoßstange
Gehe ich durch Halle, fällt mir natürlich auf, dass rechts und links in allen Straßen die Autos Stoßstange an Stoßstange parken. Sie parken so dicht, dass kein Blatt mehr dazwischen zu passen scheint. Außerdem sind oft die Fußwege zugeparkt. Fußgänger müssen sich also nicht nur zwischen den Autos durchquetschen, um auf die andere Seite zu gelangen, sie müssen sich auch noch auf dem Fußweg, der rechtlich ihnen gehört, entlangquetschen.
Dabei denke ich nicht nur an dicht bebaute Gegenden, wie beispielsweise das Paulusviertel, es ist auch in städtischen Randgebieten der Fall. Komisch oder? Hier gibt es genug Parkraum, aber trotzdem stehen die Autos auf den Fußwegen. Warum?
Faulheit siegt
Der Grund ist einfach. Hier will jeder vor seinem Häuschen parken. Es ist eine Art Volkssport geworden, so dicht wie möglich an der eigenen Haustür das Auto abzustellen. Ein Stück laufen? Niemals! Dafür gehe ich doch ins Fitnessstudio und walke auf dem Laufband 😉
Nun könnte eine spitzfindige Zeitgenossin meinen, dass es doch okay ist, wenn jede vor ihrer eigenen Tür parkt. Allerdings haben die meisten Haushalte mehr als ein Auto. So verstopfen auch hier die Fußwege, und wenn eine AnwohnerIn zu Fuß zu ihrem Haus will, dann gibt es Probleme.
Kleine Frage- und Antwortstunde mit meinem Nachbarn
Ich hatte dazu letztens eine kleine Frage- und Antwortstunde mit meinem Nachbarn. Ich kam nämlich zu Fuß über den Fußweg nicht zu meiner Haustür. Seine Autos standen so weit darauf, dass ich nicht vorbeikam. Ich fragte, weshalb er den Fußweg zuparkt und nicht wenigstens eine Lücke lässt, die groß genug ist, um als FußgängerIn noch den Weg zu nutzen? Die Antwort war, dass ich mich doch um das Auto herum schlängeln könnte, ich wäre doch so dick nicht.
Meine Entgegnung, dass Autos grundsätzlich nicht auf dem Fußweg, sondern auf der Straße oder dem eigenen Grundstück zu parken hätten, wurde mit der Aussage abgeschmettert, dass doch die Straße so schmal sei. Die Autos kämen nur schwer aneinander vorbei, deshalb weichen sie eben auf den Fußweg aus.
Meine Rückfrage, warum ich mich als Fußgängerin schlängeln kann, ein Auto jedoch nicht, wurde keiner Antwort mehr gewürdigt.
So ist die Welt von FußgängerInnen und AutofahrerInnen. Die einen wollen ihre Babys direkt vor der Haustür stehen haben und wollen bloß nicht die armen Autos gefährden, dass die sich etwa auf der Straße entlangschlängeln müssten. Die anderen sind so frech und wagen es, den ihnen zustehenden Fußweg benutzen zu wollen. Auf was für verrückte Ideen FußgängerInnen aber auch immer kommen.