Montag bis Freitag, allmorgendlich erlebe ich das gleiche Spiel: Die Elterntaxis fahren bei der Schule vor und gefährden damit die Kinder, die ohne Mama und Papa zur Schule kommen. Meine Gedanken zum gestrigen Kindersicherheitstag.
Gestern war Kindersicherheitstag. Der wird seit dem Jahr 2000 von der Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder e.V.“ organisiert. Sein Ziel ist es, das Bewusstsein für Unfallgefahren zu wecken. Aus diesem Anlass will ich meine eigenen Erfahrungen zum Thema Kindersicherheit hier teilen. Ganz im Sinne meines Arbeitsplatzes liegt mein Fokus dabei auf der Schule.
Das allmorgendliche Spiel
Jeden Schultag bauen sich vor unserer Schule lange Autoschlangen auf. In einem unübersichtlichen Parkour schlängelt sich die Blechlawine durch das Wohngebiet und versucht den Nachwuchs, möglichst bis vor die Schultür zu kutschieren. Die anderen Kinder müssen sich zwischen den Autos durchquetschen und gerade die Kleineren werden dabei gern übersehen. So fährt ein PKW an und erst im letzten Moment sieht die FahrerIn, das Kind, was über die Straße huscht. Ein Wunder, dass bisher noch kein Kind angefahren wurde. Aber brenzliche Situationen gibt es Tag für Tag.
Einzelsicherheit vs. Allgemeinsicherheit
Bei den Elterntaxis stehen die Sicherheit der Kinder, die mit dem Auto zur Schule gebracht werden, und die Sicherheit der Kinder, die allein zur Schule gehen, in Konkurrenz. Ein Kind sitzt vermeintlich sicher im Fahrzeug. Die anderen Kinder müssen sich auf der Straße behaupten. Doch das ist noch nicht alles, was mir zum Thema einfällt. Schon seit Monaten bewegen mich folgende Fragen:
- Ist der Schulweg so gefährlich, dass ich mein Kind mit dem Auto jeden Morgen hinbringen muss?
- Kann mein Kind zur Fuß zur Schule gehen oder den ÖPNV nutzen? Ist es dafür selbstständig genug?
- Würde ich nicht viel Zeit und Nerven sparen, wenn mein Kind selbstständig zur Schule geht oder fährt?
- Wäre es nicht sogar kostengünstiger?
- Wie steht es um die sozialen Kontakte meines Kindes? Gehört der Schulweg nicht auch zum Schulleben dazu?
- Wären Kussparkplätze nicht die Lösung des Problems?
Und da ich Fragen nicht gern allein lasse, kam ich zu diesen Antworten.
Meine Antworten
1. Ist der Schulweg so gefährlich, dass ich mein Kind mit dem Auto jedem Morgen hinbringen muss?
Praktisch alle Schulen liegen in verkehrsberuhigten Zonen. Kinder können hier, natürlich im Rahmen der Verkehrsordnung, unbeschadet agieren.
Der Weg zur Bus- oder Straßenbahnhaltestelle kann mit dem Kind vorher geübt werden. Ich denke da an meine eigene Kindheit. In der ersten Klasse, hat mich meine Mutter ein paar Mal mit zur Schule begleitet und dann ging es allein los. Und auch damals gab es schon das Schreckgespenst des „Kinderfängers“. Ich wusste einfach, dass ich auf keinen Fall mit Fremden mitgehen darf.
2. Kann mein Kind zur Fuß zur Schule gehen oder den ÖPNV nutzen? Ist es dafür selbstständig genug?
Kinder wollen die Welt entdecken, doch wenn Eltern ängstlich agieren, überträgt sich das auf das Kind und schon will es nicht mehr ohne Mama oder Papa. Aus meiner Sicht machen mutige Eltern auch mutige Kinder.
Und der Öffentliche Personennahverkehr ist wirklich easy: Einsteigen (ggf. Umsteigen) und an der Schule aussteigen – fertig.
Bei meinen Kindern habe ich es deutlich gemerkt, wie sie sich stärker und selbstbewusster gefühlt haben, als sie den Schulweg eigenständig meisterten.
3. Würde ich nicht viel Zeit und Nerven sparen, wenn mein Kind selbstständig zur Schule geht oder fährt?
Ich glaube die Frage beantwortet sich von ganz allein.
4. Wäre es nicht sogar kostengünstiger?
Ab einem Schulweg von zwei Kilometern gibt es die Fahrkarte für Kinder zwischen 6 und 10 Jahre gratis. Das gilt auch für Kinder ab 11 Jahre, deren Schulweg länger als 2,5 Kilometer ist. Ja, Halle macht da vieles richtig. Mittelfristiges politisches Ziel sollte jedoch sein, dass alle Kinder- und Jugendlichen jederzeit kostenfrei mit Bus und Bahn unterwegs sind.
5. Wie steht es um die sozialen Kontakte meines Kindes? Gehört der Schulweg nicht auch zum Schulleben irgendwie dazu?
Erinnern Sie sich noch an Ihren Schulweg? Ich schon. Oft habe ich da meine Freundschaften gefestigt und den Schulstress abbauen können. Wir haben gequatscht, gespielt und konnten auf dem Weg die „blöde“ Schule einen Moment vergessen.
6. Wären Kussparkplätze nicht die Lösung des Problems?
Die Fraktion MitBÜRGER für Halle hat eine charmante Idee für die Lösung des Problems. Sie möchten sogenannte Kussparkplätze einrichten. Das sind Parkplätze für einen kurzen Aufenthalt – um eben einen Kuss geben zu können. Allerdings denke ich, dass damit noch mehr Verkehr angezogen wird und sich Eltern allmorgendlich um diese Kurzzeitparkplätze drängeln, zudem müssten sich AnwohnerInnen an einer Schule um einen Parkplatz mit den Elterntaxis streiten. Die Problematik der unübersichtlichen Autoschlangen und der Kinder, die dazwischen rumspringen, wäre die Gleiche.
Und dann noch die Grüne Sache
Für mich als Vorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen hier in Halle haben die ganzen Elterntaxis natürlich auch noch einen ökologischen Aspekt und der ist: Mist! Da wird pro Kind ein Auto von A nach B bewegt, CO2 ausgestoßen, für noch mehr Stau gesorgt, während in Bus und Bahn eine Vielzahl an Kinder unterkommen kann.
Deshalb halte ich es für wichtig, über das eigene Verhalten nachzudenken. Was trau ich meinem Kind zu? Was will ich, dass mein Kind erreicht?
Elterntaxis, sind aus meiner Sicht, der sichere Weg zu einem herrlich, unselbstständigen Kind, was noch mit 25 zu Hause wohnen will 😉