Was ist Heimat für mich? – Gedanken zu einer Interviewanfrage

„Liebe Frau Ranft, ich drehe einen Kurzfilm zum Thema ‚Heimat‘ und möchte ein Statement von Ihnen als Vorsitzende der GRÜNEN darin dokumentieren.“ So fängt der Brief eines Schülers an. Öffentlichkeitsgeil, wie ich als Politikerin nun mal bin, sage ich sofort zu, bevor es jemand anders tut. Aber was sagt mir der Begriff Heimat?

Heimat

Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer. Unsere Heimat ist das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft. So oder ähnlich habe ich es vor Jahren wunderbar vor mir her geträllert. Ein Lied das mir inhaltlich und melodisch sehr zu Herzen geht. Dabei weiß ich heute gar nicht, ob ich damals der DDR-Propaganda aufgesessen bin oder ob das Lied zum gesamtdeutschen Liedgut gehört.

Ich habe nun zwei Tage nachgedacht, aber den Begriff oder das Wort Heimat benutze ich gar nicht. Und er fehlt mir auch nicht. Meine Heimat ist Deutschland. Nein, das klingt für mich nicht gut. Staatsangehörigkeit Deutsch, ja das passt. Ist meine Heimat Burg oder gar das Jerichower Land, das es damals noch gar nicht so gab? Nein, Burg ist meine Geburtsstadt und war lange Jahre mein zu Hause. Oder Halle? Ich wohne in Halle. Ich liebe meine Saalestadt, meinen Wohnort. Aber Heimat?

Heimatstadt! Ja, Halle ist meine Heimatstadt. Das klingt gut für mich. Und sicherlich ist Heimat für mich so etwas wie die Region in der ich gerne lebe und auch dort, wo meine Familie ist. Aber zu meiner Geburt gab es weder das Land, in dem ich jetzt lebe, noch das Bundesland, noch den Landkreis. Vielleicht macht auch das den ungefüllten Heimatbegriff verständlich.

Der Begriff ist mir zu pathetisch, zu politisch aufgeladen, als dass er Eingang in meinen aktiven Wortschatz gefunden hätte. Der Begriff ist für mich nicht per se schlecht, ich weiß nur nicht, wann ich ihn verwenden sollte. Aber ich vermisse dieses Wort auch nicht.

Heimweh

Heimweh habe ich einmal gefühlt, als ich mich nach dem Ort meiner Geburt und Jugend, nach Burg eben, gesehnt habe. Und gefühlt habe ich das, als ich in der Fremde war, als ich für eine lange Zeit nach London gezogen bin. Aber als dann das Fremde vertraut und daraus ein gutes und neues zu Hause geworden war, da verblasste auch das Heimweh. Ohne Heimweh keine Heimat? Quatsch!

Ich denke weniger darüber nach, wo meine Heimat ist, denn irgendwie ist die schon irgendwo hier, sondern finde es eher erstaunlich, dass ich längere Zeit mit meinem Mann zusammenlebe, als ich bei meinen Eltern gelebt habe. Und wie unterschiedlich verschiedene Lebensabschnitte die Menschen prägen und dass man das oft gar nicht linear und in Jahren messen kann.

Aber was sage ich nun in einem Kurzfilm zum Thema Heimat? Ich bin sicher, dass ich irgendwie hier zwischen Burg und Halle eine Heimat habe, obwohl ich zum Begriff der Heimat anscheinend ein eigentümliches Verhältnis habe. Das Wort Heimat gehört nicht zu meinem aktiven Sprachgebrauch und dennoch ist es ein großes Glück, nicht heimatlos zu sein.